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Spätestens nach dem Kurshoch von Bitcoin Ende 2017 ist Blockchain den meisten ein Begriff und auch in der Wissenschaft werden aktuell Einsatzmöglichkeiten diskutiert und erprobt. Insbesondere die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Unveränderlichkeit der in einer Blockchain gespeicherten Inhalte sowie die Dezentralität des Systems sind von besonderem Interesse. Als Einsatzbereiche, die auch für die Geisteswissenschaften interessant sind, werden vor allem die wissenschaftliche Publikation von Artikeln und Forschungsdaten sowie blockchain-basierte Möglichkeiten der Signierung von publizierten Inhalten diskutiert. Anhand des konkreten Beispiels einer wissenschaftlichen Zeitschrift wird im Folgenden die Funktionsweise von Blockchain erläutert und Einsatzmöglichkeiten sowie Vorbehalte dargestellt und diskutiert.
The term blockchain is well known to many, at least since the high of Bitcoin prices at the end of 2017. Its application potentials are discussed and tested in economy and science. Especially the transparency, traceability and unchangeability of the content stored in a blockchain and the decentralization are of particular interest. Potential areas of application that are also of interest for the humanities are discussed in this paper, especially the scientific publication of articles and research data as well as blockchain-based possibilities for signing published content. Based on the concrete example of a scientific journal, the functionality, potential application and caveats of blockchain will be explained and discussed.
Der populärste Anwendungsbereich für Blockchain sind Kryptowährungen. Die Idee dahinter ist das Schaffen einer Währung, die manipulationssicher und unabhängig von kontrollierenden Eingriffen von Seiten der Regierungen und Banken ist. Diese Unabhängigkeit wird dadurch gewährleistet, dass die Transaktionen offen in einem dezentralen System durchgeführt werden und somit nicht die Kontrolle einer zentralen Instanz ermöglichen und brauchen.
Erste Versuche und schließlich auch Bitcoin kamen aus dem Umfeld der
Cypherpunk Mailingliste,
Auch in der Forschungslandschaft wird diskutiert, welche Innovationen und
welche Verbesserungen Blockchain der Wissenschaft bieten kann.
Neueingerichtete Forschungszentren und
Für Blockchain-Anwendungen in der Wissenschaft, die auch in Bezug auf die
Geisteswissenschaften besonders relevant sind, werden insbesondere folgende
Bereiche diskutiert: Open Access-Publikationen, Sicherstellung der
Reproduzierbarkeit von Forschungsdaten, Verwaltung und Versionierung von
Forschungsdaten, wissenschaftliche Kommunikation, Peer-Review-Verfahren,
Verteilung von Fördermitteln, Vergabe von Credits für wissenschaftliche
Leistungen sowie als Prüfsystem für Zertifikate in MOOCs (Massive Open
Online Courses).
Dieser Beitrag
Eine Blockchain ist grundsätzlich eine Liste von Datensätzen. Diese
Datensätze werden Blöcke genannt und die Liste dieser Datensätze
folglich
Für einen Überblick über die Funktionsweise von Blockchain
Die Blockchain setzt sich aus Blöcken zusammen, die jeweils aus einem
Die Transaktionsdaten sind die Änderungen, die der Blockchain hinzugefügt
werden sollen, zum Beispiel der Transfer eines Bitcoins auf ein anderes
Konto oder eine Änderung an den in einer Blockchain gespeicherten Daten.
Transaktionsdaten werden in einem
Um eine neue Transaktion auszuführen, muss ein neuer Block erstellt und an die Blockchain angehängt werden. Hierbei spielen der Merkle tree und die Hashfunktion des Systems sowie die Nonce eine Rolle.
Eine Hashfunktion ist eine Funktion, die aus einem Inhalt eine kürzere
Zeichenkette, den Hashwert, errechnet. Der Hashwert dient als Prüfsumme
für den Inhalt. Eine Veränderung des Inhalts führt immer auch zu einer
Änderung des Hashwerts. Manipulationen können so leicht erkannt werden.
Bei Bitcoin kommt die kryptographische Hashfunktion SHA-256 zum
Einsatz.
Um eine Transaktion durchzuführen, werden zuerst Transaktionen aus einem
netzwerkweiten Transaktionspool ausgewählt. Dieser Pool enthält alle
noch nicht ausgeführten Transaktionen und kann als eine Art Warteliste
verstanden werden, denn durch die im Bitcoin-Protokoll festgelegte
Blockgröße ist die Anzahl der Transaktionen pro Sekunde limitiert, die
in einem Block bearbeitet werden können. Aus den ausgewählten
Transaktionen wird zunächst ein Merkle tree erstellt. Daraufhin wird
mittels Hashfunktion ein Hashwert aus dem Header des Blocks, der den
Root node des Merkle trees enthält, errechnet. Die Nonce wird hierbei
genutzt, um einen gültigen Block zu finden, dessen Hashwert einen
festgelegten Grenzwert nicht überschreiten darf. Dazu wird die Nonce im
neuen Blockheader zufällig verändert, da der errechnete Hashwert nicht
vorhersehbar ist. Das wiederholte Ändern der Nonce und die Neuberechnung
des Hashes wird Mining genannt und ist sehr rechenintensiv.
Wird ein Wert für die Nonce gefunden, mit dem der Hash unter dem
Grenzwert liegt, wird der Block im Netzwerk vorgeschlagen. Wenn dieser
vom Netzwerk akzeptiert wird, erhält die ausführende Partei, die den
Block gefunden hat, der , eine Belohnung in Form von Bitcoins. Ein Node
in einem Blockchain-Netzwerk ist jeder Computer, der das
Bitcoin-Protokoll, also den Programmcode von Bitcoin, ausführt. Der Node
ist damit Teilnehmer im Netzwerk. Da die Validität eines Blocks durch
die rechenintensive Erzeugung eines Hashwertes erreicht wurde, nennt man
diesen Vorgang , das zum Beispiel bei Peercoin
Ist ein Konsens gefunden, arbeiten alle Nodes im Netzwerk nun mit diesem Block, an den sie weitere Blöcke anhängen können, wodurch die Kette verlängert wird.
Da man in einem verteilten Netzwerk auch immer mit Latenzen rechnen muss, kann es durchaus vorkommen, dass mehrere Teilnehmer*innen – mehr oder weniger gleichzeitig – einen neuen gültigen Block finden. In einem solchen Fall arbeiten verschiedene Teile des Netzwerks mit jeweils einem der gefundenen Blöcke weiter und erstellen sogenannte Branches. Der rechenstärkste Teil wird nach einigen weiteren gefundenen Blöcken einen längeren Branch als die anderen Teilnehmer*innen erzeugen. Da der längste Branch als der für alle Teilnehmer*innen gültige angesehen wird, gehen auch alle anderen dazu über, an diesem weiter zu arbeiten, Transaktionen in kürzeren Branches werden wieder dem Transaktionspool als unbearbeitet zugeführt. Dieses Verhalten führt dazu, dass das Netzwerk insgesamt synchronisiert und aktualisiert bleibt.
Bei Bitcoin ist es daher erstrebenswert, möglichst schnell und – als
Vorbedingung dazu – mit hoher Rechenleistung neue Blöcke zu erstellen.
Dies führt zu einem erheblichen Energiebedarf für den Miningprozess. So
lag der geschätzte
Für die Manipulationssicherheit einer Blockchain sorgt der Hashwert. In jedem Block ist der Hash des vorherigen Blocks enthalten. Dies verhindert, dass man nachträglich den Inhalt eines älteren Blocks der Blockchain ändern kann. Denn man müsste dann auch die Hashwerte aller nachfolgenden Blöcke neu berechnen. Eine Änderung des Blockinhalts verändert nämlich auch dessen Hashwert. Da der Hashwert eines Blocks einer der Parameter für den Hashwert des nachfolgenden Blocks ist, würde sich auch der Hashwert des nachfolgenden Blocks ändern. Unterlässt man die Neuberechnung und schlägt dem Netzwerk geänderte Blöcke vor, würde die Inkonsistenz der Hashwerte dem Netzwerk bei der Validierung der Blockchain auffallen und die Änderungen würden abgelehnt werden.
Der Hashwert bietet also zwei Vorzüge: Zum einen wäre die Neuberechnung der Hashwerte sehr rechenintensiv und müsste zudem noch schneller erfolgen als neue Blöcke an die Blockchain angehängt werden, zum anderen ist eine Datensparsamkeit gegeben, denn es müssen nicht immer alle Daten an alle Teilnehmer*innen übertragen werden oder von diesen gespeichert werden, die Kenntnis der Hashwerte alleine macht die Validität der Blockchain schon überprüfbar. Dadurch, dass alle Teilnehmer*innen Zugriff auf die Blockchain haben, kann jeder die Validität sicherstellen, womit die Dezentralität des Systems erreicht wird.
Neben der bisher geschilderten offenen Blockchain gibt es auch
Blockchain selbst baut auf bereits zuvor existierenden Konzepten auf und
ist ein spezieller Typ eines
Ein Problem, das entsteht, wenn Transaktionen nicht blockweise
verarbeitet werden, ist die Synchronisation im Netzwerk. Viele
Distributed ledger sind daher so implementiert, dass nicht alle
Transaktionsdaten allen im Netzwerk bekannt sind. Stattdessen besteht
das öffentliche Netzwerk aus vielen kleineren privaten Netzwerken und
Daten werden nur unter Parteien ausgetauscht, die auch Interesse und
entsprechende Rechte an diesen Daten haben.
Produkte wie Corda
Ferner spielen in der Diskussion um den Einsatz von Blockchain im
wissenschaftlichen Kontext
Ein Smart Contract ist, technisch betrachtet, Code, der immer ausgeführt
wird, wenn Nutzer*innen eine Nachricht als Teil einer Transaktion an ihn
schicken.
Einer der Anwendungsfälle, die besonders intensiv diskutiert werden, ist der
Einsatz von Blockchain im Bereich der Publikation von wissenschaftlichen
Artikeln.
Auch eine Kritik an der marktbeherrschenden Position einiger weniger
privatwirtschaftlicher Verlage, den teils hohen Kosten, die auf Autor*innen
zukommen, die ihre Publikationen Open Access bereitstellen wollen und die
langen Begutachtungsdauern führen zu dem Wunsch nach einer Unabhängigkeit
von diesen zentralen Instanzen
Der Einsatz von Blockchain als dezentralem Netzwerk wird auch für
wissenschaftliche Publikationen diskutiert. Insbesondere die Transparenz und
Sicherheit, die Blockchain bietet, spielen eine Rolle sowie der Wunsch,
Flaschenhälse aufzulösen, die durch zentrale Strukturen entstehen.
Wie könnte die Realisierung einer wissenschaftlichen Zeitschrift mit Blockchain aussehen? Hierzu stellt sich zunächst die Frage, aus welchen Schritten ein Publikationsprozess besteht und wie die entsprechenden Schritte mittels Blockchain-Technologie abgebildet werden könnten.
Als Schritte, die bei der Publikation in einem Open Access Journal zur
Anwendung kommen, werden die Publikationsrichtlinien des vorliegenden
eJournals herangezogen. Diese sind, wenn man eine Publikation mit
anschließendem open peer-Reviewverfahren anstrebt:
Zunächst gilt es zu klären, welche Technologie konkret eingesetzt werden soll, sowie welche Komponenten nachgenutzt werden können. Hierbei bieten sich zwei verschiedene Szenarien an: man kann ein bestehendes System nutzen, also beispielsweise auf der offenen Blockchain Ethereum aufbauen, oder eine eigene Blockchain beziehungsweise einen eigenen Ledger implementieren.
Wenn man ein bestehendes System wie Ethereum nutzt, ist man Teil eines offenen Netzwerks. Dieses übernimmt das Mining und man ist von dem Netzwerk abhängig. Wenn alle Teilnehmer*innen aus dem Netzwerk aussteigen, ist die Blockchain aufgrund fehlender Rechenleistung angreifbar (vgl. Kapitel 3.3). Dafür ist die Implementierung sehr einfach.
Nimmt man einen Distributed Ledger, stellt sich die Frage nach dem Konsensmodell, das man nutzen will und anderen Konfigurationen, wie der Offenheit des Netzwerkes. Es ist also Vorarbeit nötig. Bei permissioned chains befindet man sich innerhalb eines geschlossenen Netzwerks, man kann Parteien einladen, die Mehrheit der aktuellen Teilnehmer*innen des Netzwerks kann die Aufnahme genehmigen. Damit kann man sicherstellen, alle Parteien im Netzwerk zu kennen.
Nach dem Grad der Offenheit ist also die zweite Frage, die man sich stellen muss, die, ob man tatsächlich eine Blockchain mit Mining und Belohnungssystem braucht oder ein distributed ledger mit einem initial bestimmten Personenkreis zielführender ist. Nicht unbeachtet sollte dabei auch der schon angesprochene hohe Energiebedarf des Minings bleiben. Auch ist zu klären, ob der Prozess von Beginn an offen sein soll, oder erst ab einem bestimmten Zeitpunkt, wie etwa der Publikation des Manuskripts.
Unabhängig davon, für welche Blockchain-Technologie man sich entscheidet, ist
in jedem Fall die Entwicklung einer Software nötig, die die auf der
Blockchain aufbauende Anwendung implementiert. Die Software muss also für
diesen Anwendungsfall unter anderem ein Public-Key-Verschlüsselungsverfahren
unterstützen, mit dem alle Teilnehmer identifizierbar sind und Inhalte
signieren können sowie eine Eingabemaske für die Inhalte bereitstellen und
den Einreichungsprozess abbilden. Für einzelne Features können vorhandene
Frameworks und Libraries nachgenutzt werden.
Wie würde der Publikationsprozess exemplarisch ablaufen? Alle, die zu den Inhalten beitragen wollen – Autor*innen wie Gutachter*innen – müssen zunächst dem Netzwerk beitreten. Hierfür müssen sie die Software installieren. Zur Einreichung eines Artikels senden die Autor*innen ihr Manuskript über die Software an eine hierfür vorgesehene Plattform und erzeugen damit eine neue Transaktion. Die Einreichung wird mit einem Timestamp und weiteren von den Autor*innen festgelegten Metadaten, wie beispielsweise Namen (falls es kein anonymes Verfahren gibt), Speicherort des Artikeltextes und der aktuellen Version des Artikels versehen. Diese Inhalte werden dann mittels einer kollisionsresistenten Hashfunktion gehasht, was bedeutet, dass unterschiedliche Inhalte mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit auch unterschiedliche Hashes ergeben. Empfohlen ist daher die Nutzung einer schon existierenden Hashfunktion, bei der diese Eigenschaft bewiesen ist, wie beispielsweise der schon genannte SHA-256 Algorithmus, der von der NSA entwickelt wurde.
Der Artikelinhalt selbst ist nicht Inhalt der Transaktion, aber er ist einer der Parameter, aus denen der Hash errechnet wurde. Damit kann der Inhalt durch einen Vergleich der beiden Hashes auf Authentizität geprüft werden, ohne dass man den Inhalt selbst prüfen muss. Ein Smart Contract kann dafür genutzt werden, bei jeder neuen Einreichung oder Version automatisch die Gutachter*innen zu benachrichtigen.
Die Gutachter*innen können in einem nächsten Schritt ihre Kommentare verfassen und dann eine Transaktion erzeugen. Sie können beispielsweise Kommentare in den Artikeltext schreiben, diesen dann an einer anderen Stelle abspeichern und eine neue Transaktion mit der aktualisierten Version des Artikels erzeugen oder nur die Anmerkungen in einzelnen Transaktionen übermitteln. Sinnvoll wäre es, in den Metadaten auch die vorherige Transaktion direkt zu referenzieren. Diese ist zwar ohnehin über die Chain auffindbar, eine direkte Referenz macht das Auffinden aber einfacher. Ein Smart Contract kann hierbei wieder die Autor*innen direkt über das abgegebene Feedback informieren. Dabei kann der Prozess sowohl anonym erfolgen oder unter Nennung der jeweiligen Gutachter*innen.
Weitere Feedback- und Kommentarschritte laufen analog dazu ab, so dass am Ende eine Version für Version nachvollziehbare Kette steht. Das exakte Datum sowie die Personen, die Anmerkungen oder Änderungen vorgenommen haben, sind damit stets identifizierbar, die Validität jeder einzelnen Version direkt nachvollziehbar.
Die Veröffentlichung erfolgt, wenn die Herausgeber*innen eine Transaktion erzeugen, bei der zusätzlich der Status des Artikels als »veröffentlicht« angegeben wird.
Anschließend können auch Kommentare aus der wissenschaftlichen Community nach der Veröffentlichung des Artikels in die Blockchain mit aufgenommen werden. Dies setzt voraus, dass auch die Kommentator*innen Teil des Netzwerkes werden. In einer public chain kann jedoch nicht festgelegt werden, welche Interaktionen ein Mitglied durchführen kann, weil der Grundgedanke dieser Technologie ist, dass jede*r alle Möglichkeiten der Teilnahme hat. Permissioned chains und private chains bieten hingegen die Möglichkeit, Rollen zu spezifizieren. So können etwa für Gutachter*innen und Kommentator*innen über Gruppenzuordnungen gewisse Aktionen erlaubt werden.
Auch für die Speicherung und Archivierung der Inhalte kann eine Blockchain
angewendet werden, denn nach wie vor müssen die Inhalte an einer Stelle
hinterlegt werden. Die Teilnehmer*innen verfügen zwar jeweils über die
gleiche Chain, diese enthält aber nur die Transaktionen, nicht die Inhalte.
Diese muss man separat herunterladen. Bereitgestellt werden können die
Inhalte entweder über Universitätsserver oder Server der Zeitschrift, es
gibt aber auch die Möglichkeit einer dezentralen Sicherung. Das bekannteste
Peer-to-Peer-Dateisystem ist das InterPlanetary Filesystem (IPFS). Hierbei werden Inhalte nicht
auf zentralen Servern abgelegt, sondern die Teilnehmer*innen stellen – gegen
Entlohnung – Speicherplatz zur Verfügung. Das Netzwerk hält Daten mehrfach
vor, damit Ausfälle einzelner Geräte kompensiert werden können. Die Inhalte
liegen auch nicht in Reinform vor, sondern werden unterteilt und
verschlüsselt. Eine Zuverlässigkeit, dass stets auf alle Inhalte zugegriffen
werden kann, gibt es nicht, da es auch in dem Netzwerk zu Ausfällen kommen
kann oder Einzelne das Netzwerk jederzeit verlassen können. Allerdings
könnten sich in diesen Prozess auch Universitätsrechenzentren einbringen,
und die Sicherung so auf mehrere zuverlässige Akteur*innen verteilt
werden.
So wie bisher geschildert, wäre der ganze Prozess von der Einreichung des Manuskriptes an öffentlich. Wenn man den Prozess bis zur Publikation aber nicht für alle – sowohl für Mitglieder des Netzwerks als auch für Außenstehende – einsehbar gestalten will, braucht man pro Artikel entweder einen Ledger oder eine private Chain, an der nur Autor*innen und die Gutachter*innen beteiligt sind.
Anstatt den ganzen Publikationsprozess mit Blockchain zu realisieren, können auch einzelne Aspekte damit implementiert werden. So könnte man beispielsweise Aspekte der Versionskontrolle und Nachverfolgung der Änderungen mit einem System wie GitHub realisieren.
Blockchain würde man für einzelne spezifische Aufgaben nutzen. Dies betrifft vor allem die unveränderliche Dokumentation des Publikationszeitpunktes. Hierfür gibt es bereits Tools, die eingesetzt werden können. Poex ermöglicht beispielsweise die Signierung von Dateien. Es wird ein Hash der Datei erzeugt und in die Bitcoin-Blockchain geschrieben. Damit erhält die Datei einen unveränderlichen Zeitstempel. Ein weiteres Tool ist Originstamp, ein Blockchain-basierter Service, der erlaubt, einen Timestamp auf digitalen Content zu setzen, um zu sichern, seit wann ein Objekt verfügbar ist.
Es gibt mit Ledger seit 2016 eine Open Access-Zeitschrift mit Peer-Review Verfahren, die auf Blockchain fußt und die bisher drei Ausgaben veröffentlicht hat. Der thematische Fokus liegt auf Kryptowährungen und Blockchain. Autor*innen können ihre Manuskripte digital signieren, der publizierte Artikel wird dann mit Zeitstempel in der Blockchain gespeichert.
Noch vor technologischen Entscheidungen stellen sich drei grundlegende Fragen bei der Nutzung von Blockchain: Die nach der Anonymität und Identifizierbarkeit der Beteiligten, die nach dem Vertrauen und einer zielführenden Zusammenarbeit aller und nach der Qualitätskontrolle.
Zunächst ist zu bedenken, wie jemand in einem Blockchain-Netzwerk identifizierbar ist. Der Identifikator ist der Schlüssel, mit dem die Transaktion signiert wird. Grundsätzlich sind Personen in einem Blockchain-Netzwerk anonym. Somit kann, wenn in den Metadaten und dem Artikel kein Name genannt ist, auch das Double-Blind-Verfahren mittels Blockchain realisiert werden. Da alle Teilnehmer*innen im Netzwerk für jede einzelne Transaktion einen neuen Schlüssel nutzen können (dieser lässt sich mit der Software erzeugen), werden die Personen erst dann identifizierbar, wenn der Artikel mit Namen veröffentlicht wird. Für eine zukünftige anonyme Publikation kann dann wieder ein neuer Schlüssel genutzt werden.
Hier ist zu überlegen, ob eine vollständige Anonymität von Teilnehmer*innen in einem wissenschaftlichen Publikationsprozess gewünscht ist und auf welche Art und Weise der Nachweis erfolgt, ob es sich bei den Einreichenden auch um den genannten Autor oder die Autorin handelt.
Auch über die Frage der Identifikation hinaus stellt sich die Frage, was passiert, wenn jemand seinen privaten Schlüssel verliert. Eine andere Partei, die in den Besitz kommt, könnte mit diesem Änderungen oder Kommentare im Namen des oder der ursprünglichen Besitzer*in vollziehen, ohne dass man es unmittelbar mitbekommt oder dagegen vorgehen könnte.
Die zweite Frage ist die nach dem Vertrauen und der zielführenden Zusammenarbeit des Netzwerks bei Abwesenheit einer zentralen, ordnenden und moderierenden Instanz. Denn wenn in der Blockchain alles offen und anonym ist, ist auch nicht gewährleistet, dass alle ein für das gesamte Netzwerk positives Ziel verfolgen. Es stellt sich die ganz allgemeine Frage, ob die wissenschaftliche Community eine zentrale Mittlerrolle, die aktuell durch Universitäten, Verlage, sowie weitere Institutionen und Gruppen eingenommen wird, vollständig ersetzen will.
Auch gilt es zu klären, wie in einem dezentralen (anonymen) Netzwerk »Vertrauen« zwischen den Beteiligten entstehen kann, um gemeinschaftliche Ziele zu verfolgen.
Das Vertrauen bei Blockchain-Technologien ergibt sich aus Anreizen. Diese Anreize sollen sicherstellen, dass sich »gutes Verhalten« auszahlt, meist finanziell. Außerdem sollten negative Manipulationen aufwändig sein. So kann etwa der rechenintensive und teure Mining-Prozess bei Kryptowährungen sicherstellen, dass das System nicht missbräuchlich genutzt wird. In dem hier skizzierten Szenario fehlt solch ein direkter Anreiz in einem anonymen System.
Um missbräuchliches Verhalten, das bei gemeinschaftlicher Konsensfindung
auftreten kann, anhand von Einflussmöglichkeiten einzelner Gruppen innerhalb
der Blockchain zu illustrieren: Wie verhält es sich bei offenen Blockchains,
wenn gewisse Gruppen, seien es einzelne Forschungsinstitute oder
Vertreter*innen verschiedener »Schulen«, ein solches Netzwerk dominieren?
Hier spielt auch die
In einer nicht anonymen Community wären Manipulationen durch einzelne Akteur*innen stets sichtbar dokumentiert und blieben nachvollziehbar. Permissioned chains hingegen setzen meistens auf andere Konsensverfahren, wie Proof-of-Stake, bei denen eine solche Übernahme nicht möglich ist.
Bei permissioned blockchains stellt sich die Frage, wieso man überhaupt Blockchain einsetzt, wenn man das Netzwerk beschränken will und einer initialen Gruppe die Möglichkeit gibt zu bestimmen, wer in das Netzwerk aufgenommen wird.
Positives Verhalten im exemplarisch geschilderten Publikationsprozess könnte
man etwa mittels Kryptowährung belohnen. Neben der Absicherung vor
böswilliger Manipulation könnte eine solche Währung auch Anreize für
Autor*innen und Gutachter*innen schaffen. Sie könnte für Autor*innen oder
die Teilhabe am Begutachtungsverfahren, bei Reviews durch die Community oder
durch ausgesuchte Begutachter*innen, ausgezahlt werden. Die Höhe könnte
beispielsweise nach einiger Zeit anhand von Häufigkeit von Downloads,
Zitationen, beigefügten Forschungsdaten, Offenheit der Lizenz etc. bestimmt
werden.
Schließlich stellt sich noch die Frage, was der Einsatz von Blockchains im Publikationsprozess für Standards und die Sicherung von Qualität bedeutet. Zwar ändert die Art der Bereitstellung natürlich grundsätzlich nichts am Inhalt; nach wie vor gilt es, diesen durch ein wissenschaftlichen Kriterien entsprechendes Review-Verfahren sicherzustellen, dies ersetzt die Blockchain-Technologie nicht. Die Frage ist eher, ob netzwerkgetriebene Parameter, wie gemeinschaftlicher Konsens über die Qualität, zur Qualitätssicherung beitragen können. Der Einsatz von Blockchains stellt Nachvollziehbarkeit und Transparenz sicher, nicht jedoch, welcher Inhalt hinzugefügt wird.
Es ist eine daher eine Funktionalität nötig, die prüft, ob Datenänderungen sinnvoll sind und diese nur dann zulässt. Dies könnte etwa durch ein Review-Verfahren durch andere Teilnehmer*innen des Netzwerks passieren. Eine solche Funktionalität entspräche in weiten Teilen einer Neuimplementierung der Pull-Request-Funktion von GitHub.
GitHub kann als Gegenbeispiel für eine Plattform mit einem zentralen Betreiber genannt werden, der mit Hashfunktionen und Merkle tree ähnliche Technologien zugrunde liegen wie der Blockchain-Technologie. Hier wird ein Vertrauen in die Betreiber der Plattform vorausgesetzt, was insbesondere deutlich wurde, als bekannt wurde, dass Microsoft die Plattform übernimmt. Für die Akzeptanz der Plattform ist ausreichendes Vertrauen nötig, dass das Repositorium auf der Plattform bleibt und dass klar ist, wer und mit welchem Nutzerprofil die Änderungen gemacht hat. Man kann die Git-Technologie allerdings auch dezentral auf einem eigenen Server oder gehostet von einem vertrauenswürdigen Anbieter wie einem Rechenzentrum nutzen und ist damit wiederum unabhängig von einem Drittanbieter wie GitHub.
Blockchain, vor zehn Jahren entwickelt, ist keine neue Technologie mehr und baut
auf verschiedenen Konzepten und Technologien auf. Es gibt neben Bitcoin weitere
Blockchains und Anwendungen, wobei sich viele davon im Bereich von
Proof-of-Concepts bewegen.
Am hier dargestellten Beispiel der wissenschaftlichen Zeitschrift zeigen sich
zwei wesentliche Bereiche, die es generell bei der Anwendung von Technologien in
den Geisteswissenschaften zu beachten gilt: Konkrete technologische Aspekte
einerseits und konzeptionelle andererseits.Hierbei stellen sich zum einen Fragen
der technologischen Abwägung: Welche Schritte können sinnvollerweise mit
Blockchain-Technologien umgesetzt werden? Welcher Typ von Blockchain soll
eingesetzt werden, oder ist ein Ledger zielführender? Können einzelne Aspekte
über andere, etablierte und niedrigschwelligere Anwendungen, wie Systeme für
Versionskontrolle, realisiert werden? Gilt es beispielsweise in erster Linie
Versionierbarkeit darzustellen, kann man die gewünschten Funktionalitäten auch
mit Git realisieren. Bei eigenem Hosting entfällt auch hier die Abhängigkeit von
einem bereitstellenden Dritten, wie der Plattform GitHub. Auch gilt es Kosten
und Nutzen abzuwägen. Dies betrifft sowohl die Hürden für alle Teilnehmenden,
sich die Grundlagen anzueignen, als auch die tatsächlichen Kosten, die – wenn
Proof-of-Work-Verfahren eingesetzt werden – beim Mining entstehen. Außerdem muss
das Netzwerk abgesichert werden und sichergestellt sein, dass böswillige
Manipulationen ausgeschlossen oder zumindest minimiert werden können. Und wie
bei jeder Form der Programmierung sind auch hier Fehler möglich, die zu
Sicherheitslücken führen, insbesondere dann, wenn eine Blockchain nicht isoliert
ist, sondern mit anderen Anwendungen interagiert. Auch die auf den Computern der
Nutzer*innen gesicherten privaten Schlüssel stellen eine Angriffsfläche dar und
können etwa über Trojaner abgegriffen und böswillig weiterverwendet werden.
Konzeptionelle Fragen stellen sich vor allem hinsichtlich der Anonymität und Dezentralität. Der Einsatz von Blockchain fordert die Frage heraus, welche Rolle die wissenschaftliche Community, Universitäten und Verlage in diesem Netzwerk spielen können und wollen – oft sind zentrale Autoritäten auch erwünscht. Dies betrifft den Grad der Offenheit der Prozesse und der Anonymität der Beteiligten ebenso wie die Art der Konsensfindung.
Besonders wenn zentrale Instanzen fehlen, muss geklärt werden, wie Entscheidungen getroffen werden und ob dies rein konsensual geschieht oder Abstufungen vorgenommen und einzelne Entscheidungen – zum Beispiel die Entscheidung über die Qualität oder Annahme – zentralisiert werden sollen. Auch gilt es zu klären, welche Anreizsysteme geschaffen werden können, damit alle am Netzwerk Teilnehmenden diesem zuträglich verhalten. Insbesondere für diese konzeptuellen Bereiche müssen zunächst Standards etabliert werden, um Blockchain-Technologien erfolgreich einsetzen zu können. Dies kann nur durch die jeweiligen Fachcommunities erfolgen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Einsatz von Blockchain kostspielig ist. Dies betrifft einerseits die Ressourcen, die es erfordert, ein solches System zu implementieren und zu betreiben, sowie andererseits den Aufwand, die Anwendung den Beteiligten in Theorie und Praxis verständlich zu machen. Gerade bei den beschränkteren finanziellen Mitteln in der Wissenschaft spielt das eine besondere Rolle.
Das Neue, das die Blockchain bringt, ist die Dezentralität und, in vielen ihrer
Ausprägungen (s. Tabelle
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